Vorsatz im Arbeitsschutz

Sie kennen das? Der Tisch ist nicht ergonomisch, die Sitzhaltung eine Katastrophe und diese kleine unauffällige Stufe im Verkehrsweg sorgt regelmäßig dafür, dass die Mitarbeiter stolpern. Der Chef weiß davon und tut nichts? Es ist Zeit, der Frage nachzugehen, wann man von Vorsatz im Arbeitsschutz spricht.

Im Arbeits- und Gesundheitsschutz ist Prävention der wichtigste Auftrag. Um diesen Auftrag erfüllen zu können, gibt es verschiedene Akteure. So berät die Fachkraft für Arbeitssicherheit den Unternehmer in allen Fragen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Ergänzt wird die Beratung durch die Kompetenz der Betriebsärzte. Zusätzlich kommt den Sicherheitsbeauftragten eine ganz entscheidende Funktion zu, die Personalvertretung steht für die Beschäftigten ein, notfalls auch gerichtlich.

Mit der Gefährdungsbeurteilung der Pflicht nachkommen

Der Gesetzgeber hat ein Werkzeug festgelegt, mit dem die Gefährdungen ermittelt werden müssen, denen die Beschäftigten ausgesetzt sein können. Die Gefährdungsbeurteilung gibt den Rahmen vor, nach welchem System die Gefährdungen gesucht und entdeckt werden. Die Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung sorgt am Ende für Rechtssicherheit und dafür, dass die Gefährdungen auch behoben werden. Das der Unternehmer, der übrigens die Gesamtverantwortung im Arbeits- und Gesundheitsschutz trägt, eine Gefährdungsbeurteilung erstellen muss, regelt das Arbeitsschutzgesetz im §5. Die Dokumentation ergibt sich aus §6?

Fakt ist also: Dass ein Chef eine Gefährdungsbeurteilung durchführen muss, hat er zu wissen. Nur die wenigsten sagen ihm das.

Vorsatz im Arbeitsschutz mit Wissen begegnen

Wenn das Unternehmen etwas größer ist, oder die Führungskräfte eine Fachkraft für Arbeitssicherheit haben, dann ist es deren Aufgabe, den Unternehmer darauf hinzuweisen. Das ergibt sich aus dem Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG). Es zählt zu den dort festgelegten Aufgaben einer Fachkraft für Arbeitssicherheit, den Arbeitgeber bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung zu unterstützen. Wenn es Unternehmen gibt, die keine eigene Sicherheitsfachkraft haben, können Sie sich auch einen externen Berater versorgen lassen. Die Berufsgenossenschaften laden die Unternehmer zu Schulungen ein. Darin werden Sie mit dem Unternehmerpflichten vertraut gemacht. Ist das Unternehmen klein genug, gibt es die Möglichkeit, die sicherheitstechnische Betreuung selbst zu übernehmen. Allerdings ist dafür ein wiederholendes Grundlagenseminar erforderlich. In diesem Grundlagenseminar lernen die Arbeitgeber auch, dass sie eine Gefährdungsbeurteilung erstellen müssen. Wenn das Wissen da ist, aber nicht angewandt wird, liegt ebenfalls ein Vorsatz im Arbeitsschutz vor.

Ist eine Gefährdungsbeurteilung erstellt, müssen die ermittelten Gefährdungen beseitigt oder reduziert werden. Dies erfolgt als sogenannte Schutzmaßnahmen, um die Schutzziele zu erreichen.

Was sind Schutzziele und wie lassen sich diese erreichen?

Hat der Arbeitgeber die Gefährdungen ermittelt und stellt die Gefährdungsbeurteilung dann in den Schrank, zählt diese als nicht ausreichend erstellt. Kennt der Chef also die Mängel, aber behebt diese nicht, so kann ein Vorsatz vorliegen. Wird ein Mangel nicht behoben, kann es dafür zwei Gründe geben:

Fall 1: Die Gefahr lässt sich nicht beheben, weil es eben nicht geht

Manchmal ist es nicht möglich, Gefährdungen zu beheben, weil sie eben nicht beseitigt werden können. Das kann der Fall sein, wenn es die Arbeitsaufgabe nicht zulässt. Wer in einem Labor an Viren und Krankheitserregern forscht, kann sie nicht beseitigen. Das liegt in der Natur der Sache, denn sie werden für die Forschung benötigt. Demnach muss geprüft werden, ob andere Schutzmaßnahmen eine Gesundheitsgefahr für die Beschäftigten verhindern. Es muss also das Zusammentreffen der Gefährdungsfaktoren (Viren) mit den Beschäftigten verhindert werden. Dies kann z.b. durch den Einsatz von technischen oder persönlichen Schutzmaßnahmen erfolgen. Welche davon wirkungsvoll sind, muss der Arbeitgeber, zusammen mit den Experten im Arbeitsschutz, prüfen. Erfolgt die Prüfung nach weiteren Schutzmaßnahmen nicht, lässt der Arbeitgeber also wissentlich die Mitarbeiter im Gefahrenbereich arbeiten, so ist der Unternehmer bei einem Unfall voll haftbar.

Fall 2: Der Chef will nicht, oder hat kein Geld

Der gleiche Sachverhalt ergibt sich, wenn eine Führungskraft Kenntnis über eine Erkrankung oder eine große Gefahr der Mitarbeiter hat. Auch dann ist er verpflichtet zu handeln. Die erforderliche Hilfestellung ergibt sich aufgrund der Fürsorgepflicht, u.a. aus § 618 BGB. Mehr dazu im Artikel über die Fürsorgepflicht bei erkrankten Mitarbeitern. Wirken sich die Gefährdungen, denen die Arbeitnehmer im Privatleben ausgesetzt sind, auch auf den Beruf aus, so ist der Arbeitgeber ebenfalls verpflichtet zu handeln und zu helfen. Das klassische Beispiel: Der Mitarbeiter kippt sich kräftig einen hinter die Binde und kommt volltrunken zur Arbeit. Sicher arbeiten kann er dann nicht mehr!

Fürsorgepflicht der Vorgesetzten bei erkrankten Mitarbeitern

Auch ein erkälteter Beschäftigter, der in eine körperlich belastende Tätigkeit ausführt, läuft Gefahr, sich eine ernsthafte Herzerkrankungen zuzuziehen.

Unterstützt der Vorgesetzte, bei Kenntnis des Zustandes nicht, handelt es sich um wissentliches Unterlassen. Das ist Vorsatz im Arbeitsschutz! Im Fall eines Unfalls, wobei selbst ein Unfall auf dem Arbeitsweg als Arbeitsunfall gilt, ist der Chef dran.

Strafgesetzbuch (StGB)
§ 229 Fahrlässige Körperverletzung

„Wer durch Fahrlässigkeit die Körperverletzung einer anderen Person verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

Fahrlässigkeit bedeutet grob gesprochen, man war nachlässig. Wer aber nun von einem Mißstand weiß und trotzdem beschließt nichts zu unternehmen…Das ist keine Fahrlässigkeit mehr!

Vorsatz im Arbeitsschutz heißt…

Von Vorsatz im Arbeitsschutz reden wir immer dann, wenn der Chef eine Gefährdung kennt und überhaupt nichts tut, obwohl er muss. Der unergonomische Schreibtisch ist ein gutes Beispiel. Es muss nicht zwangsweise ein elektrisch höhenverstellbarer Schreibtisch sein. Solange die Beschäftigten so sitzen, dass es deren Gesundheit zuträglich ist und sie sich oft genug bewegen können, spricht nichts gegen einen mechanischen Tisch. Die Bewegung kann u.a. dadurch gefördert werden, dass der Drucker in einem anderen Zimmer steht.

Allerdings muss einer unergonomischen Körperhaltung das Angebot einer Ergonomieberatung folgen. Es gibt wesentlich mehr Maßnahmen, den Arbeitsplatz menschengerecht zu gestalten. Solange der Unternehmer alles mögliche unternimmt, ist alles okay. Tut er dies wider besseren Wissen nicht, liegt ein Vorsatz vor. Kommt es hart auf hart, ist dies auch strafrechtlich relevant.