Muss der Arbeitgeber Sitzmöglichkeiten zur Verfügung stellen?
Muss der Arbeitgeber Sitzmöglichkeiten zur Verfügung stellen?

Muss der Arbeitgeber Sitzmöglichkeiten zur Verfügung stellen?

Es gibt einige Berufe, in denen die Beschäftigten immerzu stehen oder gehen müssen. Dies ist zum Beispiel in Warenhäusern, Metzgereien, Bäckereien und an Tankstellen der Fall. Hier steht das Personal nicht nur, sondern läuft auch umher, um Waren einzuräumen, auszuräumen oder Kunden zu bedienen. Es stellt sich daher die Frage, ob Sitzmöglichkeiten überhaupt notwendig sind.

Muss der Arbeitgeber einen Stuhl zur Verfügung stellen Safety & Health Consulting

Bewegen und Entspannen

In Anbetracht der Tatsache, dass ein Bewegungsfaktor mit im Spiel ist, scheint ein Stuhl im ersten Augenblick überflüssig zu sein. Der Wechsel der Körperhaltung (dies ist bei Bewegung der Fall) sorgt für die notwendige Mobilität der Gelenke, Sehnen und Muskeln. Es gibt nur wenige Tätigkeiten, bei denen ein ununterbrochenes Stehen erforderlich ist. Die genannten Berufsgruppen sind ständig in Bewegung und haben so die Möglichkeit ihre Körperhaltung zu verändern.

Was Tätigkeiten angeht, bei denen bspw. überwiegend über eine Theke bedient wird, so ist davon auszugehen, dass die Steharbeit zeitlich der eigentlichen Geh- oder Laufbewegung überwiegt. Dies ist eine große Belastung für die Gelenke und für die Venen. Als Folge dessen entstehen Rückenschmerzen und andere Bewegungsschmerzen des Körpers. Aber auch ernsthafte Risiken für Kreislauferkrankungen können entstehen. Gleichzeitig wird die Bildung von Krampfadern gefördert. Problematisch ist das Ganze sicherlich nicht, wenn nur an ein oder zwei Tagen eine länger aufrecht stehende Körperhaltung eingenommen wird. Wird dies allerdings zu einer Dauerbelastung, so wie es in den genannten Berufen der Fall ist, kann es rasch kritisch werden. Deswegen sind die nötigen Arbeitsunterbrechungen durch Pausen und freie Tage notwendig. Eine Sitzgelegenheit bringt die langersehnte Entspannung mit sich, welche mindestens genauso wichtig ist. Ergonomie ist auch an Steharbeitsplätzen richtig.

Unabhängig von der körperlichen Belastung ist auch die Anstrengung nicht leicht zu ertragen. Es ist davon auszugehen, dass in den Verkaufsberufen und auch in den Handwerksberufen Situationen eintreten, an denen eine Kundenbedienung nicht erforderlich ist. Solche Minuten gibt es öfter einmal. Demzufolge besteht die Möglichkeit, sich zu setzen. Insofern ist eine Sitzmöglichkeit auf jeden Fall vorzusehen.

Was sagt der Gesetzgeber zu den Sitzmöglichkeiten?

Verboten werden darf das Sitzen durch den Arbeitgeber allerdings nicht. Denn zu langes Stehen hat körperliche Folgen, diese sind meist negativ. Allein wegen § 2 des Grundgesetzes, hat jeder Mensch das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Denn die Physiologie des Stehens arbeitet gegen die Gesundheit. Deswegen klagt eine hohe Zahl an Verkäuferinnen über gesundheitliche Beschwerden, jeder zweite Arbeitnehmer im Verkauf nimmt sogar Medikamente gegen Schmerzen und Kreislaufbeschwerden ein. Weil die Einnahme von Schmerzmitteln über eine längere Zeit problematisch ist, kann es zu Abhängigkeitsproblemen kommen, die wiederum weitere Folgen nach sich ziehen.

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Der Mensch muss sich bewegen

Die Physiologie des Menschen ist auf Bewegung ausgerichtet. Das fein abgestimmte Zusammenspiel von Skelett, Gelenken, Sehnen und Bändern, sowie den Motoren des Menschen, der Muskeln, sorgt für eine einwandfreie Koordination und einen reibungslosen Bewegungsablauf. Muskeln müssen trainiert werden und Gelenke bewegt. Die Bandscheiben benötigen Bewegung um sich mit genügend Flüssigkeit füllen zu können. Das Stehen arbeitet dem Prinzip entgegen. Dadurch wird der Halte- und Bewegungsapparat deutlich überfordert. Eine Überforderung wird durch ausreichende Entlastung gemindert.

Wieso ist die Bewegung so wichtig?

Der ganze Körper kann sich von einem Ort zum anderen bewegen. Aber auch im Inneren des Körpers finden Bewegungen statt. Eine notwendige Bewegung ist das Fließen unseres Blutes. Ebenso wichtig ist die Pumpbewegung des Herzens. Mit dem Blut wird der Sauerstoff in die Zellen transportiert, das Kohlendioxid nach draußen. Ein eingespieltes System was wunderbar funktioniert: Sauerstoff gelangt in die Zellen, Kohlendioxid aus den Zellen.

Die Venenpumpe funktioniert mit Muskelkraft

Nun stehen wir aber als Menschen aufrecht, was zur Folge hat, dass die Schwerkraft des Blutes natürlich etwas höher ist, als bei den Vierbeinern. Also ist die Anforderung an das Herz-Kreislaufsystem etwas höher. Dass sich das Blut beim langen Stehen und Gehen nicht in den Beinen absetzt und auch die anderen Körperareale erreicht, ist unter anderem der Muskelpumpe zu verdanken. Durch die An- und Entspannung der Muskeln nehmen diese im Prinzip mehr oder weniger Platz ein. Dadurch drücken Sie gelegentlich auf die Venen und führe dadurch zu einer Pumpbewegung.

Damit wird das venöse Blut nach oben in Richtung Herz gedrückt. Einen sehr hohen Anteil an dieser Pumpwirkung haben die Waden- und Bauchmuskeln. Diese sind im Stehen allerdings fast ohne Wirkung. Wenn die Muskelpumpe nicht vorhanden ist, müssen die Gefäßwände selbst diese Aufgabe übernehmen. Demzufolge dienen die Venen und Arteriengefäße als Pumpe. Diesen Effekt bezeichnet man als Venenpumpe. Die Gefäße können sich anhand kleiner Muskeln in den Wänden verengen und wieder entspannen. Versagt die Muskelpumpe, oder wird sie durch langes Stehen außer Betrieb genommen, sind die Gefäße nach einiger Zeit überfordert. Die Muskelfasern erschlaffen, werden überdehnt und verschwinden. Im Nachgang werden sie durch Bindegewebe ersetzt. Eine Erweiterung der Venen ist die Folge, es entstehen Krampfadern. Krampfadern sehen nicht nur unschön aus, sondern verhindern auch die ordnungsgemäße Funktion der Venenklappen. Die sind allerdings gerade beim Stehen wichtig, weil das Zurückfließen des Blutes in die Beine verhindert werden muss. Wenn die Klappen allerdings nicht mehr richtig funktionieren, staut sich das Blut in den Beinen. Dadurch entstehen die schweren Beine, denn viel Blut und Lymphe bringen ordentlich Gewicht.

Gefährdungen mit der Gefährdungsbeurteilung begegnen

Schaut man sich die Funktionsweise unseres Körpers näher an und bezieht die vorhergehende Betrachtung mit ein, so wird schnell deutlich, dass regelmäßiges und überwiegendes Stehen der Gesundheit einen Schaden zufügen kann. Aus diesem Grund muss natürlich der Arbeitgeber im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung diese Gefährdung dokumentieren und Gegenmaßnahmen einleiten. Dazu zählt auch ausreichend Sitzmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen. So wird der Körper entlastet. Das ist allerdings bisher nicht genug, denn neben den Möglichkeiten des Hinsetzens, muss auch die Erlaubnis zum Setzen da sein.

Anti Ermüdungsmatten Safety & Health Consulting

Schutzmaßnahmen umsetzen – auch Sitzmöglichkeiten zählen dazu

Was zusätzlich für die Gelenke noch etwas Erleichterung bringen kann, sind sogenannte Dämpfmatten. Diese Fußmatten bestehen aus einer dicken und elastischen Schicht, sodass auch eine leichte Auf- und Ab-Bewegung möglich ist. Die Venenpumpe wird damit in Gang gebracht. Eine Sitzgelegenheit, also ein Stuhl, kann allerdings auf keinen Fall ersetzt werden. In der Arbeitsstättenverordnung ist gefordert, dass die Arbeitsstätten so ausgestattet werden müssen, dass ein gesundheitlicher Schaden des Personals vermieden wird.

„(1) Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, dass Arbeitsstätten so eingerichtet und betrieben werden, dass Gefährdungen für die Sicherheit und die Gesundheit der Beschäftigten möglichst vermieden und verbleibende Gefährdungen möglichst gering gehalten werden.“ (§ 3a „Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten“ der Arbeitsstättenverordnung)

Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung muss der Arbeitgeber alle negativ wirkenden Belastungen auf den menschlichen Körper ermitteln und bewerten. Wenn keine Sitzmöglichkeiten direkt am Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt werden können, müssen so Ausgleichsmaßnahmen geschaffen werden. Dies kann bspw. auch dadurch sichergestellt sein, dass die Intervalle zwischen den einzelnen Pausen verkürzt werden und die Arbeitnehmer die Möglichkeit haben, den Arbeitsplatz zu verlassen. Das Ziel besteht dann darin, die Sitzmöglichkeiten an einem anderen Ort zu gewährleisten. Um die psychische Belastung der Mitarbeiter zu minimieren, ist Wertschätzung unabdingbar. Diese Wertschätzung ist auf jeden Fall höher, wenn ausreichend Entlastungsmöglichkeiten geschaffen und genügend Pausenzeiten eingeräumt werden.

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